Container, Zelte, Turnhallen, hastig gekaufte Hotels – die Kommunen müssen häufig zu Notlösungen greifen, um die Flüchtlinge, die da kommen, unterzubringen. 200.000 werden es wohl bis zum Ende des Jahres werden. Niemand kann davon wirklich überrascht sein. Ein Blick auf die Krisenherde dieser Welt genügt.
Zum Vergleich: 2008 kamen 28.000 Asylbewerber nach Deutschland, 1992 waren es schon mal 438.000 und das kleine Libanon hat derzeit mehr als 1 Million Flüchtlinge aufgenommen.
Krieg, Bürgerkrieg, Verfolgung und Not treiben die Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und Zuflucht und (vorübergehenden) Schutz in den reichen Staaten Europas zu suchen. Viele kommen über das Mittelmeer. Vor einem Jahr starben dabei vor Lampedusa 366 Menschen; man schätzt, dass insgesamt bisher etwa 3.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken sind. Nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa startete Italien die Operation „Mare Nostrum“. Seine Küstenwache und seine Kriegsschiffe haben dabei mehr als 100.000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet. Mare Nostrum kostet den italienischen Staat monatlich 9 Millionen Euro. Italien hat daher und aufgrund fehlender Unterstützung durch die EU angekündigt, die Rettungsaktion Ende des Jahres einzustellen. Die Grenzschutzagentur Frontex plus soll übernehmen. Europa zieht damit die Zugbrücke wieder ein Stück höher. Es hapert ja nicht nur an einer größeren Unterstützung für die Mittelmeerstaaten, insbesondere für Italien, auch bei dem Streit über die Aufnahme und Verteilung in den einzelnen Mitgliedsstaaten ist von einer solidarischen Werte- und Verantwortungsgemeinschaft nichts zu spüren, geschweige denn von einer abgestimmten und zukunftsorientierten europäischen Migrations- und Asylpolitik.
Auch in Deutschland wird die Zugbrücke ein Stück hochgezogen. Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien wurden als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Das Zustandekommen dieser Entscheidung bestimmte tagelang die Presse. Ministerpräsident Kretschmann verhalf im Bundesrat der Politik der großen Koalition zur Mehrheit, was ihm heftige Vorwürfe aus seiner eigenen Partei einbrachte. Im Gegenzug dafür, dass er die Staaten des Westbalkan als sichere Herkunftsstaaten akzeptierte, handelte er die Aufhebung der Residenzpflicht, einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und das Prinzip Geldleistung statt Sachleistung aus. Kretschmann verwies auf die ohnehin nur 0,3 Prozent der Asylbewerber vom Westbalkan, die anerkannt worden seien. Die meisten der Antragsteller von dort sind Roma auf der Suche nach einem besseren Leben. Sie werden jetzt praktisch für asylunfähig erklärt und können schnell wieder abgeschoben werden.
Ganz ungeniert spielt Innenminister de Maizière die Verfolgten aus Syrien gegen die Nichtverfolgten aus dem Westbalkan aus und bringt eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen ins Spiel. Man kann zwar darüber streiten, ob das politische Asyl der richtige Weg für die Roma ist, die vor Armut und Diskriminierung fliehen, aber das ist nicht der Punkt hier. Es geht um die Aushöhlung des Asylrechts. Die Praktikabilität des Rechts wird über den Menschenschutz gestellt; die faire Prüfung des Einzelfalls, eine Grundregel des Asylrechts, wird abgeschafft. Schließlich hilft die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten weder den Roma noch den Kommunen.
Wäre es nicht ein Beitrag zur Lösung der Flüchtlingsproblematik, wenn Asylbewerbern ein schneller Zugang zum Arbeitsmarkt – ohne Vorrangprüfung – und Sprachkurse vom ersten Tag an gewährt würden? Wenn ihre Berufsabschlüsse anerkannt würden? Wenn sie ein selbstbestimmtes Leben losgelöst von staatlichen Leistungen führen könnten? Wenn die Politik die Bürger für eine größere Akzeptanz gegenüber den Migranten gewinnen und die ökonomischen Vorteile gezielter Zuwanderung sowie die Potenziale der Flüchtlinge herausstellen würde? Derzeit sieht es nach einer solchen Weichenstellung nicht aus, obwohl doch zu vorauseilendem Populismus à la de Maizière kein Anlass besteht.
Die Not der Flüchtlinge bringt die Kommunen an ihre Belastungsgrenzen. Die fehlende europäische Migrations- und Asylpolitik, die mangelhafte Unterstützung des Bundes (ganze 25 Millionen für die Folgen der Zuwanderung) und die bei weitem nicht auskömmliche Finanzierung des Landes führen dazu, dass Migrations- und Asylpolitik vor allem auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen wird.