– Ein Beitrag zur Fusionsdebatte –
Frage: Viele Bürger durchschauen die zahlreichen Diskussionen um das Thema Fusion nicht mehr, für sie stellt es sich als ein einziges Durcheinander dar. Was sagen Sie dazu?
In der Presse werden Lösungsvorschläge, wie Region, Regionalverband, Zweckverband, Fusion oder Teilfusionen nebeneinander gestellt. Dadurch entsteht für den Leser, der sich ja nicht ständig mit Verwaltungsfragen beschäftigt, ein schwer durchschaubarer Wust. Es fehlt an einer nachvollziehbaren Aufbereitung des Themas und an Hintergrundinformationen, die die konkreten Auswirkungen der jeweiligen Vorschläge für den Bürger sichtbar machen. Nur dann lassen sich die einzelnen Beiträge einordnen und bewerten.
Angesichts der demografischen Entwicklung, damit verbunden wegbrechender Landesmittel sowie der unterdurchschnittlichen Steuerkraft im Landkreis besteht ja weitestgehend Einigkeit in der Analyse: Es besteht Handlungsbedarf. Allerdings gibt es bei den Lösungsmöglichkeiten gravierende Unterschiede und keine Einigkeit hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit der vorzugehen ist.
Auch haben die gute Konjunktur und die niedrigen Zinsen den Druck für Strukturveränderungen ein Stück weit genommen und eine gewisse Selbstzufriedenheit einkehren lassen. Doch in globalisierten Zeiten wie dieser muss sich Politik am Morgen orientieren und von der Zukunft her denken.
Frage: Welche möglichen „Lösungen“ für den Landkreis Peine stehen denn zur Diskussion?
Lassen Sie uns die einzelnen Szenarien mal durchgehen. Der ehemalige Braunschweiger OB Hoffmann hat ja den Gedanken einer verfassten Region von Gifhorn bis Goslar ins Spiel gebracht. Zur Zeit ist diese Idee in weite Ferne gerückt, nicht zuletzt durch das Gutachten von Prof. Bogumil, der eine große Region für die nächsten 20 Jahre ausgeschlossen hat. Für eine Region braucht man als Unterbau leistungsfähige Gemeinden in einer Größenordnung von etwa 30.000 Einwohnern. Die haben wir im Landkreis Peine nicht, geschweige denn in einem Landkreis wie Wolfenbüttel, wo es noch etliche kleine Samtgemeinden gibt. Dass Strukturveränderungen auf Gemeindeebene Voraussetzung für eine Region sind, so etwas muss man den Menschen sagen, damit nicht nur emotional diskutiert wird. Außerdem ist bei der Entfernung von Hankensbüttel im Landkreis Gifhorn bis Hohegeiß im Landkreis Goslar für ehrenamtlich tätige Abgeordnete eine Region nicht wirklich gut zu händeln.
Frage: Wie sieht es mit der „kleinen Region“ mit Braunschweig, Helmstedt, Wolfenbüttel und Peine aus?
Helmstedt und Wolfenbüttel haben ihre Sondierungsgespräche beendet und eine Fusion miteinander ausgeschlossen. Damit steht aus meiner Sicht Helmstedt nicht mehr zur Verfügung. Ob es eine Lösung ohne Helmstedt gibt, dürfte wesentlich von der Stadt Braunschweig abhängen… Die fehlende gemeinsame Kreisgrenze zwischen Wolfenbüttel und Peine spricht nicht gerade für diese Lösung.
Frage: …also ist der Regionalverband die beste Lösung?
Der Regionalverband als Zwischenstufe zu einer späteren Region ist ein unausgegorenes Konstrukt. Ein Regionalverband würde bedeuten, dass man neben der Ebene der Gemeinden, der Landkreise und des Landes eine 4. Ebene einzieht, für die direkt zu wählen ist. Das gibt es sonst nirgendwo in Niedersachsen. Strukturell passt es auch nicht mit dem unter der Leitung von Herrn Wunderling-Weilbier stehenden Amt für regionale Landesentwicklung zusammen. So ein Vorgehen leistet der Politikverdrossenheit Vorschub. Es kann ja nicht mit einer gewählten Verbandsversammlung und einem gewählten Präsidenten an der Spitze um eine Vermehrung von Politikerposten gehen, sondern es muss um schlanke und effiziente Verwaltungsstrukturen gehen. Das Gemeinwohlinteresse sollte im Vordergrund stehen.
Frage: Es gibt ja auch Stimmen die eine Aufteilung bzw. eine Auflösung des Landkreises sich vorstellen können oder sie sogar befürworten.
Damit sollte man nicht leichtfertig spielen. Denn was würde dies denn für die Stadt und die Gemeinden bedeuten? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wendeburg und Vechelde 20. oder 21. Stadtteil von Braunschweig werden möchten. Denn dann würden sie ihre Personal-, Finanz- und Planungshoheit verlieren und hätten bloß noch einen ehrenamtlichen Bürgermeister. Ein Anschluss aber an einen anderen Landkreis, etwa Gifhorn oder Wolfenbüttel, ist nicht praktikabel und völlig abwegig.
Die Stadt Peine müsste ihren Bürgern entweder längere Wege zur Erledigung ihrer Verwaltungsangelegenheiten zumuten oder versuchen, große selbständige Stadt zu werden; dabei wäre sie aber immer noch kreisangehörig. Als große selbständige Stadt müsste sie soziale, jugendpolitische und wahrscheinlich auch wieder schulische Aufgaben übernehmen. Dabei kämen locker pro Jahr mehr als 11 Millionen an Belastungen auf die Stadt zu, bei einem jetzt schon deutlich defizitären Haushalt. Wie soll das gehen? Zudem würde die Stadt erheblich an Einfluss und Bedeutung verlieren, egal in welcher Konstellation, ob in einer kleinen oder großen Region oder in einem Regionalverband. Hier vermisse ich eine Positionierung der Stadt.
Bei einem Zerfleddern des Landkreises würden nicht nur die Arbeitsplätze in der Landkreisverwaltung verloren gehen, auch beispielsweise in der Abfallwirtschaft, bei der BBg oder der Wito; bei der Kreissparkasse wären sie stark gefährdet und ob es weiterhin die Berufsbildenden Schulen in Vöhrum geben würde, wäre zumindest fraglich. Für die Erledigung sozialer, jugendpolitischer und gesundheitsbezogener Aufgaben würden für die Bürger weitere Wege entstehen. Eine Auflösung des Landkreises wäre also die denkbar schlechteste Lösung.
Frage: Kann eine Enquetekommission zu einer Lösung beitragen?
Die einzelnen Puzzlesteine in der Region passen in der Tat derzeit überhaupt nicht zusammen. Ich persönlich sympathisiere mit dem Vorschlag von Prof. Bogumil, dass die Region nur drei Kreise braucht. Hilfreich wäre, wenn das Land Aussagen zu Art und Höhe seiner finanziellen Unterstützung machen würde. Ich denke da besonders an Salzgitter. Denn solange Salzgitter einen derart hohen Schuldenberg vor sich herschiebt wird keine andere Kommune in einen Verbund mit Salzgitter eintreten wollen.
Frage: Und was wird mit Hildesheim?
Landrat Wegener hat zu verstehen gegeben, dass er sich einen Beitritt Hildesheims zum Zweckverband durchaus vorstellen kann. Meiner Auffassung nach muss man von der Entweder-oder-Haltung, also entweder Hildesheim oder Braunschweig, wegkommen und zu einer Sowohl-als-auch-Lösung hinkommen. Denn Verflechtungen gibt es sowohl mit Braunschweig, zu nennen sind hier beispielsweise die IHK, die Gerichtsbarkeit oder die Kassenärztliche Vereinigung, als auch mit Hildesheim, hier beispielsweise die Agentur für Arbeit, die Gemeindewerke Peiner Land, das Klimaschutzbündnis, der Kreissportbund oder das Bündnis gegen Depression. Es gilt eine Lösung zu finden, die mit einem neuen Landkreis als Mitglied im Zweckverband anschlussfähig in der Region ist, einer weiteren Entwicklung im Großraum Braunschweig nicht im Wege steht und von Braunschweig aus mitgetragen wird.
Es geht darum, Identität, Zukunftsfähigkeit und Standortpolitik positiv miteinander zu verknüpfen, damit Zukunftsfragen, wie eine gute Gesundheitsversorgung, Breitbandausbau, Sicherung von Fachkräften und ÖPNV gut gelöst werden.
Frage: Wie soll das funktionieren?
Ich könnte mir vorstellen, dass nach Ostern ein interfraktionell zusammengesetzter Arbeitskreis im Landkreis nach einem Weg sucht, die bisherige interessengeleitete Polarisierung zugunsten einer gemeinwohl- und zukunftsorientierten Lösung zu überwinden. Es wäre auch eine Chance, die entstandenen tiefen emotionalen Gräben ein Stück weit wieder zuzuschütten.