Ungleichheit schadet

Nach einer neuen Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), in der die 34 führenden Volkswirtschaften organisiert sind, hat die Ungleichheit in den meisten Industriestaaten zugenommen. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß wie seit 30 Jahren nicht mehr.

In Deutschland ist im internationalen Vergleich das Vermögen besonders ungleich verteilt, während sich die Ungleichheit beim Einkommen auf einem mittleren Niveau bewegt. Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist die Ungleichheit in vielen Volkswirtschaften noch größer geworden. Wie man die Ungleichheit hierzulande betrachtet, hängt auch vom Zeithorizont ab: In den vergangenen 15 Jahren ist sie gestiegen, betrachtet man aber nur die vergangenen 5 Jahre , ist sie stabil. Das heißt aber auch: Die unteren 40 Prozent der Haushalte haben vom wirtschaftlichen Aufschwung der vergangenen Jahre nicht profitiert.

Die reichsten zehn Prozent der Deutschen besitzen dem OECD-Bericht zufolge 60 Prozent der Nettohaushaltsvermögen – international ist das ein Spitzenwert. Die unteren 60 Prozent der Bevölkerung kommen in Deutschland lediglich auf sechs Prozent des gesamten Haushaltsvermögens. Die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher in Deutschland verdienen laut OECD-Studie  6,6-mal so viel wie die untersten zehn Prozent. Rund acht Prozent der Haushalte gelten als arm. Die Ungleichheit hat Ausmaße angenommen, die die wirtschaftliche Entwicklung hemmt.

Bisher wurde gern behauptet, dass ein gewisses Maß an Ungleichheit einer Gesellschaft gut tue. Ungleichheit setze Anreize, sich hochzuarbeiten, Innovationen zu wagen und neu entwickelte Verfahren auf den Markt zu bringen. Damit fördere sie die Wirtschaft. Nun argumentiert der OECD-Bericht gegenteilig. Eine zu große Ungleichheit bremse das Wirtschaftswachstum. Denn Gesellschaften, in denen auch Teile der Mittelschicht abgehängt sind, nutzen nur einen Teil ihres Potenzials. Das soziale Gefüge droht zu zerfasern und vor allem für Menschen aus schwächeren sozialen Schichten wird es schwieriger, eine gute Bildung zu bekommen und sozial aufzusteigen. Ungleichheit hat daher nicht nur greifbare wirtschaftliche Folgen, sondern auch gesellschaftliche Konsequenzen bei Bildung, Gesundheit sowie bei Normen, Werten und Moral.

Die OECD sieht eine Ursache für die gewachsene Ungleichheit im Sozialabbau. Die enorm gestiegene Anzahl atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse vergrößert die Schere zwischen Arm und Reich. Hinzu kommt das überproportionale Wachstum der privaten Vermögen. Christoph Deutschmann schreibt dazu: „Der unternehmerische Kapitalismus verwandelt sich in einen Rentierkapitalismus, der mit dem Unternehmertum auch das wirtschaftliche Wachstum verfallen lässt.“

Die OECD sieht eine Möglichkeit, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern in der Steuerpolitik. Sie schreibt dazu: „Die Politik muss sicherstellen, dass wohlhabende Privatleute, aber auch multinationale Firmen ihren Anteil an der Steuerlast bezahlen.“ Weiterhin empfiehlt die OECD, mehr Frauen in den Arbeitsmarkt zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie eine Bezahlung entsprechend der der Männer erhalten. Ferner müsse Deutschland mehr in Bildung investieren und besonders die Betreuung und Bildung im Vorschulalter mit qualitativ hochwertigen Angeboten verbessern. Einen zu großen Optimismus hinsichtlich einer Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich kann man der OECD jedoch nicht vorwerfen, denn eine Umkehr des Trends ist laut OECD schwierig, da die Ungleichheit tief in unseren Wirtschaftsstrukturen verankert sei.

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