Donald Trump hat die Wahl gegen Hillary Clinton gewonnen und wird der nächste US-Präsident. Vor der Wahl deutete zwar vieles auf Clinton hin, jedoch hat der Erfolg Trumps Gründe: Er hat die Abgehängten und Verbitterten, die Arbeiterschaft und die untere Mittelschicht mit einer aggressiven Anti-Politik gegen die Etablierten für sich gewonnen und sie aus ihrer Beschämung befreit. Heinz Bude attestiert ihm eine „narzisstische Empathie für die Enttäuschten“. Trump hat seinen Wählern Steuersenkungen versprochen sowie protektionistische Handelsmaßnahmen, um damit die Effekte der Globalisierung einzudämmen. Und er hatte einen genialen Slogan: „Make America great again“, der eine ideale Projektionsfläche für politische Fantasien unterschiedlicher Art bot; für das „alte“ Amerika und für die weltpolitische Bedeutung der USA ebenso wie für die durch den Niedergang der Schwerindustrie gebeutelten Menschen im „Rust Belt“ und für die um ihre Lebenswünsche gebrachte Mittelschicht.
Der Slogan „Make America great again“ steht für eine nationalistische Identitätspolitik , was gleichzeitig den Ausschluss alles Fremden bedeutet. Trump befeuerte den Nationalismus im Wahlkampf u.a. durch die Ankündigung gegenüber Mexiko eine Mauer zu errichten und Immigranten zurückzuschicken. Auf diese Weise wird der Gegensatz von Kapital und Arbeit, von Reich und Arm, in den Gegensatz von „wahren“ Amerikanern und Fremden umgestrickt.
Trumps Wahlkampf dürfte zum Maßstab für Populisten und Nationalisten in Europa werden; Trump selbst zum Lehrmeister. Seinen Wahlkampf hat Trump mit Tabubrüchen, Beleidigungen, dreisten Lügen und der Androhung von Verfassungsbrüchen geführt, mit antiliberalen Affekten, Frauenfeindlichkeit und Ressentiments gegen Minderheiten. Geschadet hat es ihm nicht. Seine Aggressivität wurde als Demonstration von Macht ausgelegt, das Unterwandern von Regeln als Recht des Stärkeren und seine Unverschämtheiten wurden als Geheimnis des Erfolgs präsentiert. Seine Attacken auf den Anstand und seine Provokationen gegen den Konsens entbehrten offensichtlich nicht einer gewissen Attraktivität nach dem Motto: Da traut sich einer. Seine teils vulgären und systemverachtenden Ausbrüche fanden ein Echo in den sozialen Medien und setzten dort Häme, Hass und Angriffe gegen Minderheiten frei. Trump gerierte sich als Leitfigur einer Trotz- und Widerstandskultur. Seine Wähler identifizierten sich mit dem „Tabubrecher“ und „Provokateur“ und drückten damit wohl in erster Linie eine soziale Identität aus; sie machten klar, dass sie sich von den politischen Klassen nicht repräsentiert fühlten.
Identitätsaufwallungen haben stets etwas mit Verunsicherungen zu tun. Wenn die gesellschaftliche und die moralische Ordnung brüchig geworden sind und massive Umbrüche das Leben durcheinander bringen, dann suchen die Menschen Halt; Halt in religiösen, ethnischen oder politischen Identitätsangeboten, Halt in einer (vermeintlich)starken Führerpersönlichkeit. Und sie versammeln sich in ihrer Abneigung gegen das Fremde. Es kommt ein Hang zum Autoritarismus, zum Normierenden und zum Ausgrenzen zum Vorschein. Menschen werden dann fremdenfeindlich, rassistisch, homophob. Bereits 1997 hat Ralf Dahrendorf, als er sich mit den sozialen Folgen der Globalisierung befasste, geschrieben, dass wir uns an der Schwelle zum autoritären Jahrhundert befänden.
Naheliegend ist, dass Rechte und Populisten in Deutschland und Europa das Trump’sche Erfolgsmodell zu kopieren suchen. Die Globalisierung hat nicht nur vielerorts soziale Ungleichheit hervorgebracht und damit den Nährboden für die Wählerschaft der Populisten bereitet, sie hat zudem rechtes Denken anschlussfähig an die gesellschaftlichen Verhältnisse gemacht. Rechtspopulistische Positionen werden von anderen Parteien aufgegriffen und damit einer Normalisierung zugeführt. Darin steckt destabilisierendes Potenzial.
Auf einer anderen Ebene dürfte es im eigenen Umfeld spannend zu beobachten sein, ob und in welchem Umfang die Abwertungen, Lügen, Diskriminierungen und Tabubrüche Trumps Eingang in unsere sozialen Lebenswelten finden. Sickert das Autoritäre und Normative in Wirtschaft und Verwaltungen ein und führt zu Ausgrenzungen? Werden auf Anstand und Moral beruhende Verhaltensweisen weiter durchlöchert oder gar ganz preisgegeben? Kommt es zu einer Verrohung, nicht nur der Umgangsformen? Wird der Gebrauch der Vernunft durch einen an keine Werte gebundenen Pragmatismus, der Moral und Wahrheit(en) Nützlichkeitsüberlegungen unterordnet, ersetzt? Sicherlich werden die Verfechter dieser „Kultur“ jetzt Oberwasser bekommen. Auch in meinem Umfeld. Darin steckt eine gute Portion zerstörerischen Potenzials, das eine Gesellschaft im Kleinen wie im Großen instabiler und fragiler macht. Daher ist es notwendig, den Ausgrenzungs- und Verfeindungsstrategien entgegenzutreten, für Haltung und Respekt zu werben, Dissens und Diversität zuzulassen. Letztlich ist es die Frage, wie und in welchen gesellschaftlichen Verhältnissen wir leben wollen.