Bedingungsloses Grundeinkommen: Vision, Illusion oder schrittweiser Modellwechsel?

Geld vom Staat. Unabhängig von der Lebenssituation, ohne Gegenleistung, einfach so, bedingungslos halt. Eine verlockende Idee, eine Illusion oder schon absehbare Realität?

Das bedingungslose Grundeinkommen hat prominente Fürsprecher. Götz Werner, Gründer der Drogeriekette dm, Milliardär und Anthroposoph, propagiert die Idee schon seit vielen Jahren und fordert 1.000 Euro für jeden. Aber auch Milton Friedman, Ralf Dahrendorf oder Martin Luther King haben sich für das bedingungslose Grundeinkommen stark gemacht. Anhänger finden sich gleichermaßen bei Konservativen wie bei Linken.

Die aktuelle Diskussion zum Grundeinkommen wird vor allem getrieben durch das Silicon Valley und Dax-Vorstände aus der IT-Branche, wie beispielsweise Elon Musk, Joe Kaeser oder Timotheus Höttges. Sie verknüpfen das Grundeinkommen mit der Frage über die Zukunft der Arbeit. Wenn Roboter tatsächlich einen Großteil der menschlichen Arbeitsplätze überflüssig machen und durch Innovationsschübe uns die Arbeit ausgeht, dann hat das bedingungslose Grundeinkommen einen gewissen Charme. Denn keiner müsste mehr in die Armut rutschen.

Als Wachstumsmotor hat die Globalisierung zu gesellschaftlicher Polarisierung geführt und Verteilungsfragen offen gelassen. Digitalisierung und Robotik werden die gesellschaftliche Polarisierung weiter vorantreiben mit der Gefahr, dass neo-nationalistische und rechtspopulistische Kräfte weiter an Einfluss gewinnen. Folgt man diesem Gedankengang, dann kommt dem bedingungslosen Grundeinkommen die Funktion zu, das weitere gesellschaftliche Auseinanderdriften zu verhindern und für sozialen Frieden und stabile demokratische Verhältnisse zu sorgen. Zugleich macht das bedingungslose Grundeinkommen die traditionelle Sozialpolitik und Sozialstaatsbürokratie obsolet: kein Hartz IV, keine Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, keine Arbeitslosenversicherung, keine Rentenversicherung. Eine bestechend einfache Lösung. Doch es gibt Fragen und gewichtige Einwände.

Zunächst zu den Fragen: Was bedeutet das bedingungslose Grundeinkommen  bei schwerer Krankheit, was für behinderte Menschen und was für größere Lebenskatastrophen? Es gäbe dann kein soziales Netz mehr, mit dem die Betroffenen aufgefangen werden könnten. Was passiert mit existierenden Rentenansprüchen? Warum sollen Menschen ein Grundeinkommen bekommen, die das Geld gar nicht brauchen? Bei einem Winterkorn, Kaeser oder Höttges dürfte es nicht auf die monatlich 1.000 Euro zusätzlich ankommen. Fehlt es an dieser Stelle nicht an gesellschaftlicher Legitimation und verletzt ein bedingungsloses Grundeinkommen für Reiche nicht das Gerechtigkeitsempfinden vieler? Und wer garantiert, dass Unternehmen die 1.000 Euro Grundeinkommen nicht als Mitnahmeeffekt sehen und Lohndrückerei betreiben?

Zu den Einwänden: Das bedingungslose Grundeinkommen löst weder das Ungleichheitsproblem der Digitalisierung noch das Auseinanderdriften der Gesellschaft. Wer mithalten kann, profitiert; wer ohne Job ist, bleibt auf dem Niveau des Grundeinkommens abgehängt. Die abgehängten ohne Job bilden dann das neue Prekariat.

Die Finanzierbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens ist höchst strittig. Götz Werners Finanzierungsüberlegungen sehen vor, die Einkommensteuer allmählich abzuschaffen und die Mehrwertsteuer auf 50% anzuheben. Dies würde allerdings sozial Benachteiligte treffen, die ihr Grundeinkommen durch den Kauf teurer Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs quasi selbst finanzieren würden. Bei 82 Millionen Menschen 1.000 Euro pro Kopf wären das eine Billion Euro im Jahr. Nicht zu finanzieren, sagt nicht nur Christoph Butterwegge.

Eine andere Idee zur Finanzierung des Grundeinkommens ist die Einführung einer Robotersteuer. Dies dürfte schwierige Definitionsfragen aufwerfen und die Produkte enorm verteuern;  es mag tunlichst bezweifelt werden, dass sich eine Billion Euro im Jahr über Steuern aufbringen lässt.

Das bedingungslose Grundeinkommen würde einen radikalen Systemwechsel im Bereich des Sozialetats erzwingen. Bisher waren eher schrittweise, vorsichtige Reformen üblich. Aber nichtsdestotrotz bietet die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen einen Ansatz, um darüber nachzudenken, wie die möglichen Folgen von Digitalisierung und Robotik abzufedern sind und wie der Sozialstaat in diesem Kontext umzubauen ist. Praktische Erfahrungen, wie sie jetzt mit dem Grundeinkommen in Finnland gesammelt werden, sind dabei durchaus hilfreich.

Überlegenswert scheint mir, die Idee des Grundeinkommens mit Erfahrungen aus der Arbeitsmarktpolitik, konkret: dem sozialen Arbeitsmarkt und dem Passiv-Aktiv-Tausch, zu verknüpfen. Das bedeutet, dass in einem ersten Schritt alle SGB-II-Empfänger ein Grundeinkommen und damit verbunden eine Beschäftigung erhalten. Sozial und gesellschaftlich wünschenswerte Arbeit gibt es genug. Jeder soll als Gegenleistung zum Grundeinkommen seine Fähigkeiten zum Wohl der Allgemeinheit einsetzen. Die Kommunen kümmern sich um sinnvolle Beschäftigung und entsprechende Arbeitsplätze und geben allen SGB-II-Empfängern eine Beschäftigungsgarantie. Das Grundeinkommen wäre dann allerdings nicht mehr bedingungslos.

Dies hat zur Folge, dass die Jobcenter finanziell und personell zurückgebaut werden. Sie haben die Aufgabe, ihr Klientel auf entsprechend zu generierende Arbeitsplätze zu vermitteln; ferner machen sie Qualifizierungsangebote und beraten hinsichtlich der Durchlässigkeit auf den 1. Arbeitsmarkt. Gesamtwirtschaftlich würde sich ein derartiger schrittweiser Modellwechsel auszahlen. Denn identitätsfördernde und -stabilisierende Beschäftigung ersetzt Erwerbslosigkeit. Die Finanzierbarkeit wäre noch konkret nachzuweisen. Allerdings: Digitalisierung und Robotik haben ihren Preis. So oder so.

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