Duale Ausbildung – Zahl der Ausbildungsplätze schwindet

Die Entwicklung von Ausbildung und Arbeit hat sich entkoppelt. Das ist im Kern das Ergebnis einer von der Bertelsmann-Stiftung geförderten Studie des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen. Die Forscher halten in Zahlen fest: Von 1999 bis 2015 wuchs die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um mehr als zwölf Prozent; im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Auszubildenden um 6,7 Prozent zurück. Besonders seit der Finanzkrise driften Ausbildung und Beschäftigung auseinander.  Im Jahr 2008 kamen auf 100 Beschäftigte rein rechnerisch noch 6,5 Auszubildende, 2015 waren es nur noch 5,1. Eine Trendwende in den kommenden Jahren kann die Bertelsmann-Stiftung nicht erkennen.

Während sich die Zahl der Erwerbstätigen auf Rekordhöhe bewegt und in etlichen Branchen lautstark über Fachkräftemangel geklagt wird, verliert die hoch gelobte duale Ausbildung schleichend an Bedeutung. Besonders auffällig ist die Lage bei kleineren Betrieben mit bis zu 49 Mitarbeitern; dort lernen immerhin 44 Prozent der Auszubildenden. Dramatisch ist sie bei Kleinstbetrieben mit bis zu fünf Mitarbeitern. Zwar sank dort im Zeitraum von 1999 bis 2015 die Zahl der Beschäftigten um 3,2 Prozent, die Zahl der Auszubildenden verringerte sich allerdings im gleichen Zeitraum um ein Drittel. Einen Zuwachs an Auszubildenden haben Betriebe mit 50 bis 249 Mitarbeitern zu verzeichnen. Doch im Vergleich dazu ist bei diesen auch  die Zahl der Beschäftigten stärker gewachsen.

Für den Befund der schwindenden Zahl an Ausbildungsplätzen gibt es Gründe: Den deutlichen Rückgang bei der Zahl der Schulabgänger und dies bei einer gleichzeitig erhöhten Studienneigung junger Menschen. Hinzu kommt, der technologische Wandel in den Betrieben verlangt von den Auszubildenden immer mehr. Vor allem Jugendliche mit Hauptschulabschluss haben es unter diesen Umständen schwer, einen Ausbildungsplatz zu finden. Lässt man das übliche, nicht immer unberechtigte, Lamento der Arbeitgeberverbände hinsichtlich mangelnder Eignung und fehlender Flexibilität der Auszubildenden außen vor, ist festzustellen,  es gibt nicht nur weniger Ausbildungsplätze, oft passen Angebot und Nachfrage nicht zusammen. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka bezeichnet das als „Passungsproblem“. Etwa 43.000 unbesetzten Ausbildungsstellen stehen mehr als 20.000 unversorgte Bewerber gegenüber. Hinzu kommen noch 60.000 junge Menschen, die ein Praktikum oder eine berufsvorbereitende Maßnahme begonnen haben, aber eigentlich eine Ausbildung beginnen wollen. Mithin 80.000 Bewerber ohne Lehrstelle. Darin dokumentiert sich ein veritables gesellschaftliches Problem. Denn ohne Ausbildung bleiben häufig nur Helfertätigkeiten oder es droht die Arbeitslosigkeit, in der Folge dann Grundsicherung und Altersarmut.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, sieht angesichts der guten Konjunktur- und Beschäftigungslage den Fachkräftemangel als hausgemacht. Die Bertelsmann-Stiftung schlägt als Gegenmaßnahmen vor, die öffentlichen Unterstützungsangebote für Ausbildungsbetriebe besser auf die Situation kleiner Betriebe zuzuschneiden, die innerdeutsche Mobilität der Auszubildenden zu fördern und die Unternehmen, besonders in Branchen, in denen viele Ausbildungsplätze  unbesetzt bleiben, wie in der Gastronomie, stärker in die Pflicht zu nehmen. Die Stiftung sieht es in Zeiten der Konkurrenz um eine sinkende Zahl von Bewerbern als unumgänglich an, die Rahmenbedingungen wie Arbeitszeit, Qualifizierung, Vergütung oder Karrierechancen zu verbessern, um die Ausbildungsplätze besetzen zu können. Das sind zweifellos notwendige Schritte und Versuche, der Entkopplung von Beschäftigung und Ausbildung entgegenzuwirken, aber was ist in künftig sicherlich auftretenden wirtschaftlichen Krisenzeiten?

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